Viele Menschen beneiden uns darum, dass wir schon fast zwei Jahre auf Reisen sind. Sie wünschen sich Ähnliches, fragen sich aber, ob eine so lange Auszeit negative Auswirkungen auf ihre Karriere haben kann. Und wo im Lebenslauf sie diese Weltreise verstecken sollen. Wir sagen: Gar nicht verstecken. Lieber anpreisen.
Eine Weltreise ist keine Lücke im Lebenslauf, im Gegenteil: Sie macht Dich zu einem besseren Mitarbeiter. Die Erfahrungen, die Du auf einer solchen Reise machst, wiegen die Abwesenheit im Büro bei weitem auf. Unter anderem werden auf einer Langzeitreise folgende Kompetenzen gestärkt:
- Zielorientierung
- Problemlösekompetenz
- Improvisationstalent
- Durchhaltevermögen
- Frustrationstoleranz
- Fremdsprachenkompetenz
- interkulturelle Kompetenz
- Projektmanagement
- persönliches Wachstum
Hier liefern wir Dir ein paar Argumente dafür, warum sich eine Weltreise für aktuelle, aber auch zukünftige Arbeitgeber auszahlt und wie du sie im Lebenslauf präsentierst.
Zielorientierung
Schon allein die Tatsache, dass Du eine Weltreise planst und durchziehst, zeugt von Zielstrebigkeit. Du wirst Dir im Vorfeld Dutzende von Gegenargumenten angehört haben und musstest Deine Selbstzweifel in den Griff bekommen. Und Du hast all das gemeistert, Deine Reise geplant und bist aufgebrochen.
Und auch auf der Reise hast Du diverse Hürden gemeistert, um Dein Ziel zu erreichen.
Problemlösekompetenz
Eine Reise verläuft selten wie geplant. Zumindest dann, wenn sie über eine innerdeutsche Städtereise hinausgeht. Du weißt vorher einfach nicht, was Dich in der Ferne erwarten wird. Du kannst noch so gut planen und Dich vorbereiten, das Leben sieht immer anders aus.
Es wird die Situation kommen, dass die Unterkunft in dem malerischen kleinen Dorf am Ende der Welt nicht zu finden ist. Keiner spricht Deine Sprache. Viele Menschen bleiben neugierig stehen, aber Hilfe ist nicht in Sicht.
Und dann heißt es Flexibilität zeigen und das Beste aus der Situation machen. Zeige Dein Improvisationstalent. Hab Geduld, überlege, wie Du vielleicht die Frage anders stellen kannst? Hast Du von Deiner Online-Buchung vielleicht ein Foto des Gebäudes, das Du zeigen kannst? Manchmal hilft es auch, den Weg zur Kirche oder zur Schule zu erfragen, wenn das einfacher ist. Dort findet man am ehesten Menschen, die Englisch sprechen. Auf diesem Umweg erfährst Du vielleicht doch, wo sich die gesuchte Unterkunft befindet.
Am Ende wirst Du das Problem gelöst haben. Und je öfter Dir das passiert, desto gelassener gehst Du in die nächste Situation hinein, in dem Wissen, dass Du schon eine gute Lösung finden wirst.
Durchhaltevermögen
Früher oder später wird der Zeitpunkt kommen, an dem Du am liebsten alles hinschmeißen möchtest. Das ist normal und geht den meisten Reisenden auf einer Weltreise irgendwann so. Die Unterkunft deprimiert Dich, vielleicht bist Du sogar krank, Heimweh plagt Dich. Du könntest Dir jetzt einfach ein Ticket nach Hause kaufen und alles hinter Dir lassen. Ja. Könntest Du.
Du könntest Dir aber auch klar machen, dass diese Phasen normal sind und sie hinter Dich bringen. Versuche, aus der Situation herauszukommen. Vielleicht gönnst Du Dir Kaffee und Kuchen in einem schönen Café. Oder Du skypst mit Deiner besten Freundin oder Deiner Familie.
Mach Dir klar, dass dies nur eine Phase ist und male Dir aus, wie Deine Situation sein wird, wenn diese Phase vorbei ist. Oder beweg Deinen Hintern und ändere etwas.
Diese Situation lässt sich gut auf den Arbeitsalltag zurück in der Heimat anwenden: vielleicht ist das Projekt stressig und Du bist kurz davor, alles aufzugeben. Aber Du hast gelernt, in die Zukunft zu schauen und das Ergebnis, dass Du Dir vorstellst, motiviert Dich zum Durchhalten. Diese trainierte Frustrationstoleranz wird dem Personaler bei Deinem nächsten Vorstellungsgespräch bestimmt gefallen.
Fremdsprachen- und interkulturelle Kompetenz
Zum Thema Fremdsprachen müssen wir gar nicht viel schreiben. Jedem (auch jedem Personaler) ist klar, wie sehr Auslandsaufenthalte die Sprachkompetenz beeinflussen. Wenn Du alleine irgendwo stehst und nicht weiterweißt, dann ist selbst das schlechteste Englisch meist besser als gar keins. Und wer schon mal erfolgreich mit Händen und Füßen den Weg zum nächsten was-auch-immer erfragt hat und eine sinnvolle Antwort erhalten hat, der weiß, wie gut es sich anfühlt.
Interkulturelle Kompetenz lernt man auf Reisen schnell. Selbst wenn man sich nur zwischen Hotelzimmer und geführten Touren bewegen würde (als Extrembeispiel), würde einem auffallen, dass andere Kulturen anders ticken als die eigene:
- Die meisten Menschen, v.a. die Kinder, sind Fremden gegenüber viel neugieriger und aufgeschlossener als wir es von daheim kennen.
- Die Mehrheit der Kulturen, auf die Du treffen wirst, sind konservativer als Du es kennst.
- Gastfreundschaft ist in vielen Ländern ein hohes Gut. Das hat zum Beispiel dazu geführt, dass uns in der Türkei wildfremde Menschen an der Tankstelle Schokoriegel gekauft und geschenkt haben.
Wenn man ein bisschen tiefer eintaucht in die Kulturen und Gebräuche eines Landes, merkt man, dass vieles anders, aber nicht unbedingt schlechter ist als im Heimatland. Und von dieser Erkenntnis ist es nur ein kleiner Schritt dahin, sich auf die Menschen im Land einzustellen und mit ihnen angemessen zu interagieren.
Persönliches Wachstum
Deine Reise wird Dich verändern.
- Du wirst bei Deiner Rückkehr nicht mehr die Person sein, als die Du losgefahren bist.
- Viele Erfahrungen konntest Du sammeln, meist gute, vielleicht auch ein paar unangenehme.
- Du hast viel über Dich selbst erfahren.
- Am Ende kennst Dich selbst besser und Du weißt, wie Du in bestimmten Situationen reagierst.
Und es kann gut sein, dass Du in der Ferne festgestellt hast, wie angenehm doch das Leben in der Heimat ist. Ein ordentlich bezahlter Job, ein Gesundheitssystem, eine verlässliche Bürokratie, asphaltierte Straßen. Es gibt vieles, was wir erst schätzen, wenn wir es mal eine Zeitlang vermisst haben.
Den Personaler bei der nächsten Bewerbung wird vielleicht nicht interessieren, wie begeistert Du von den asphaltierten Straßen in Deutschland bist. Er wird allerdings deutlich sehen, dass Du eine ausgeprägte Persönlichkeit hast, Gelassenheit ausstrahlst und viele soft skills mitbringst. Und das bringt Dich im Bewerbungsprozess weit nach vorne.
Stelle Deine Weltreise im Lebenslauf als Projekt dar
Mit Deiner Weltreise und der dazugehörigen Planung hast Du – par excellence – sämtliche Bereiche des Projektmanagements durchlaufen:
- Vision erstellt: was will ich?
- Planung erarbeitet: wie lange und wohin reisen?
- Budgetplan erstellt: kann ich mir den Plan leisten?
- Risikomanagement erarbeitet: was kann passieren und wie sichere ich mich ab?
- Projekt gestartet und Plan durchgeführt: Reise!
- Budgetkontrolle durchgeführt: Passt mein Alltag zu meinen Finanzen, evtl. musst Du gegensteuern (billigere Unterkünfte, weniger Restaurants, …)
- Changemanagement durchlebt: Reagiere auf Herausforderungen und ändere ggf. den Plan
- Projektabschluss: Komm heil zurück, evtl. ist die Reise dokumentiert und Du hast wieder Lust auf etwas Neues in Deinem Leben.
Mit dieser analytischen Herangehensweise an Deine Reise punktest Du sicherlich bei jeder Personalabteilung. Du bist genau die Projektleitung, den sie sich wünscht. Aber auch, wenn es nicht um den Job einer Projektleitung geht, zeigt Deine Vorgehensweise eine Struktur, die im Arbeitsalltag immens hilfreich ist.
Worauf kann ich während der Weltreise noch achten, um meinen Lebenslauf aufzupolieren
Die einfachste Antwort ist: Mach was! Lieg nicht nur am Strand.
- Absolviere einen Sprachkurs.
- Baue Projekte in Deine Reise ein.
- Arbeite in einem sozialen Projekt mit.
Volunteering ist immer gut. Schon das einfache „Kost-und-Logis-gegen-Mitarbeit“-Konzept von workaway oder woofing lässt sich im Lebenslauf gut als Kultur-Kennenlernen darstellen. Findet es dazu vielleicht noch in einer karitativen Einrichtung statt: umso besser. Empathie und Mitgefühl, gepaart mit Auslandserfahrung, kommt bei den meisten Arbeitgebern gut an.
Was steckt hinter dem „Kost-und-Logis-gegen-Mitarbeit“-Konzept
Beim Arbeiten für Kost und Logis ist es Standard, sich über einen Anbieter eine Stelle zu suchen, bei der man meist vier bis fünf Stunden am Tag arbeitet. Im Gegenzug bekommt man Mahlzeiten und Unterkunft gestellt. Manchmal wird man zusätzlich noch entlohnt. Die Art der Arbeit ist so vielfältig wie Land und Leute sind: Bau- und Renovierungsprojekte, Sprachunterricht, Kinderbetreuung oder Mitarbeit in der Landwirtschaft. Manchmal locken besondere Orte wie die Insel im norwegischen Eismeer oder das Jurtencamp in der Mongolei. Es gibt verschiedene Webseiten, die Anbieter und Suchende zusammenbringen. Dies ist eine gute Methode, Land und Leute abseits der üblichen Touristenpfade kennenzulernen. Und je nach Tätigkeit macht es sich gut im Lebenslauf für den Job danach.
Angebote findest Du auf den einschlägigen Seiten:
Was heißt das jetzt für mich?
Egal wie Du es drehst und wendest: In der Arbeitswelt wirst Du nach Deiner Rückkehr von der Reise profitieren. Und zwar sehr stark.
Personaler sehen täglich viele Bewerbungen und die meisten sehen ziemlich ähnlich aus. Ein längerer Auslandsaufenthalt hebt Dich auf jeden Fall schon mal aus der Masse heraus. Und wenn Du dann auch noch darstellen kannst, was diese Reise für Dich bedeutet hat und wie sie Dich als Mensch und bei Deinen Fähigkeiten weitergebracht hat, dann hast Du schon mal ganz gute Karten, nicht sofort aussortiert zu werden. Reisen bildet, Reisen erweitert Horizonte – und mit solchen Menschen umgibt man sich gerne. Das gilt auch für Arbeitgeber.
Und falls Du an eine Firma gerätst, die Deine Erfahrungen nicht zu schätzen weiß, dann ist es vielleicht nicht die richtige Firma für Dich. Such lieber noch ein bisschen weiter. Die richtige Stelle wird bestimmt kommen. Hab Geduld und Vertrauen in Dich. Genau das hast Du ja auf der Reise auch erfolgreich gemacht.
Du solltest Dich auf keinen Fall im Vorfeld schon verrückt machen lassen oder sogar die Reisepläne komplett begraben.
REISE! Mache Erfahrungen! Genieße es! Und alles andere wird sich finden.
„Sie haben da eine Lücle in Ihrem Lebenslauf.“
– „Ja, war geil.“ 😉
Hihi, genau so!