Korruption in Aserbaidschan

Juli 2019, wir sind seit ein paar Tagen in Aserbaidschan.

Die Qualität der Straßen im Nordkaukasus-Staat ist von Anfang an hervorragend. Der Asphalt ist makellos, Leitplanken und Begrenzungslinien sehen neu aus, viele Kameras sind zu sehen. Alles verleitet zum Schnellfahren. Man sieht, dass das Land aufgrund der Erdölexporte wohlhabend ist. Trotzdem hatten wir viel Schlechtes über Korruption und Polizeikontrollen auf den Straßen gehört, so dass wir aufmerksam und regelkonform gefahren sind.

Zu Recht, wie sich herausstellt.

Unsere Befürchtungen werden Realität

Wir sind unterwegs von Baku in den Norden, in die Bergregion Aserbaidschans, die als eine der schönsten Regionen des Kaukasus gepriesen wird. Wir fahren zunächst auf einer gut ausgebauten Teerstraße, um Baku schnell hinter uns zu lassen, als wir an einem Checkpoint herausgewunken werden. Na klasse, uns schwant schon Böses. Der Polizist spricht kurz mit Wolfgang, der vorne gefahren ist, und deutet auf das Polizeigebäude nebenan. Wir parken die Motorräder vor dem Haus und folgen dem Beamten hinein. Drinnen werden wir in einen kleinen Raum geführt, in dem ein Schreibtisch mit Computer sowie zwei Besucherstühle stehen. Wir setzen uns und der Beamte eröffnet uns, dass er uns gezielt angehalten hat, weil das Verkehrsüberwachungssystem uns angeblich mehrmals geblitzt habe.

Wir schauen uns an. Kann eigentlich nicht sein, vor allem nicht mehrmals. Er erklärt uns, dass wir in den zwei Tagen nach Grenzübertritt vier Mal zu schnell gewesen seien, er nannte uns Ort, Datum und jeweilige Geschwindigkeit, zeigte uns die entsprechende Seite im Gesetzbuch und rechnete uns aus, dass jeder von uns knapp 1000 Dollar zu zahlen hätte.

Wir waren sprachlos. Zu schnell? Wir? Und dann gleich vier Mal?

Er erklärt, dass sich die Daten noch auf dem mobilen Gerät der Polizei befinden, er müsse sie jetzt in den Computer eingeben, aber noch könnte er sie gegen die Zahlung von 200 Euro verschwinden lassen. Wir fragten nach Beweisbildern, die könne er erst anfordern, wenn die Daten im System erfasst wären.

Entscheidungsfindung: Trotzreaktion oder Risikominimierung?

Wir überlegen. Alles in uns schreit „Korruption!“ Aber: Der Mann ist sehr ruhig und nett, macht keinen Druck, im Gegenteil, er verlässt sogar den Raum für ein paar Minuten, um uns Zeit zu geben, miteinander zu reden.

Im Nachhinein liest sich das natürlich wie Bauernfängerei, aber wir sitzen dort auf dem Polizeirevier, weit weg von der uns bekannten und vertrauten Welt und wissen nicht, was wir tun sollen. Der Polizist ist einfach überzeugend. Wir versuchen eine Risikobetrachtung: Eigentlich kann es nicht sein, dass wir geblitzt wurden, außerdem ist es ja unwahrscheinlich, dass beide Motorräder immer exakt dieselbe Geschwindigkeit hatten, wie er behauptet. Andererseits tun uns 200 Dollar jetzt viel weniger weh als 2000 Dollar bei der Ausreise. Wir sind hin und her gerissen. Würden wir zahlen, hätten wir vermutlich für den Rest der Reise das blöde Gefühl, abgezockt worden zu sein, ohne uns dessen wirklich sicher zu sein. Andererseits sind wir auf einem Polizeirevier und der Polizist ist wirklich überzeugend. Vorsichtig frage ich nach: „Können wir mit Kreditkarte zahlen?“ Der Beamte legt den Kopf schief, lächelt und sagt „No.“ Aber er könne mit uns zum Geldautomaten fahren. Da macht es bei uns klick. Genau diese Geschichte hatten wir schon gehört: Jemand wird der Geschwindigkeitsübertretung beschuldigt und fährt mit den Polizisten zum Geldautomaten. Dort händigt er ihnen das Geld aus, sie lachen, stecken es ein und verschwinden. Erst in dem Augenblick wird ihm klar, dass er abgezockt wurde.

Damit ist die Sache klar

Und wir stehen auf, erklären dem Beamten, dass wir auf die Beweisfotos warten werden und die dann nötige Summe gerne zahlen. Anschließend verlassen wir das Gebäude. Unbehelligt. Erst draußen merken wir, dass wir vor Anspannung zittern und wir beeilen uns, die Helme aufzusetzen und uns wieder auf den Weg zu machen.

Reisen heißt auch, Schwierigkeiten zu meistern. „Problemlösekompetenz entwickeln“ würde die Managerin in mir sagen.

Es wird noch ein schöner sonniger Tag in den wunderschönen Bergen des Nordkaukasus.

Polizeiwache Aserbaidschan
Vor der Polizeiwache in Aserbaidschan

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