Island 2011

Es ist kalt. Genauer gesagt: saukalt.

Wir haben vor ein paar Minuten die Fähre in Sejdisfjördur verlassen und kämpfen uns mit den KTMs die ersten Hügel hinauf Richtung Egilstadir. Die Anzeigetafel zeigt 3° Grad Celsius an, im dichten Nebel orientieren wir uns am Rücklicht der vorausfahrenden Autos.

Eine der besten Ideen bei der Urlaubsplanung war es, die KTMs mit Heizgriffen auszustatten.

Wer ist bloß auf die blöde Idee gekommen, Island mit dem Motorrad zu bereisen?

Auf der Rückseite der Hügelkette ist der Nebel zum Glück fast verflogen, wir tanken und wärmen uns erst mal mit heißem Kaffee auf. Wir haben viel vor.

Bereits im letzten Winter haben wir angefangen, unseren Urlaub zu planen. Ungewöhnlich früh für uns. Die Fähre musste gebucht werden, Urlaub angemeldet und eingeplant werden, außerdem ist im Winter viel Zeit, Reiseführer und Internetberichte zu studieren. Da Island nicht so groß ist, hatten wir recht schnell eine Vorstellung davon, was wir sehen wollten. Nebenbei sollten aber ausreichende Puffer vorhanden sein, damit Erholung, Ausschlafen, Fotografieren und derlei nicht zu kurz kommt. Stress haben wir genug im Job, dass sollte im Urlaub nicht auch noch sein.

Daher haben wir die „langsame“ Anreise gewählt: von München mit dem Autoreisezug nach Hamburg, auf den Motorrädern nach Dänemark und dann 48 Stunden auf der Fähre.

Zeit genug, sich auch gefühlsmäßig auf Urlaub einzustellen. Außerdem konnten wir so unsere eigenen Motorräder dabei haben und waren auf Island freier in der Entscheidung, welche Strecken wir fahren wollen. Um die KTMs (690 Enduro / 690 Enduro R) artgerecht zu bewegen, haben wir die Ringstraße R1 möglichst oft verlassen. Die R1 führt einmal um Island herum und ist an den meisten Stellen gut ausgebaut und asphaltiert. Allerdings nicht überall. Die für die KTM spannenden Strecken allerdings gehen ins Hochland bzw. in die entlegenen Winkel der vielen Fjorde. Wir hatten die KTMs im Vorfeld mit Zusatztanks der „KTM-950-Super-Enduro“ ausgestattet, abseits der Ringstraße sind Tankstellen rar und unsere Streckenpläne erfordern Etappen von 400 km ohne Tankstelle, ohne zusätzliche Kraftstoffreserve nicht zu machen.

Es ist Ende Juni, viele der Hochlandstrecken sind leider noch geschlossen, wie beispielsweise die Sprengisandurroute oder ein Teil der Piste nach Askia. Der Frühling 2011 war einer der kältesten, seit es Wetteraufzeichnungen in Island gibt, und es liegt noch verhältnismäßig viel Schnee. Wir informieren uns täglich neu über den Straßenzustand und planen unsere Routen entsprechend um.

Wir starten in Richtung Norden (im Süden regnet es gerade) und zelten in Myvatn auf dem Campingplatz. Von dort aus unternehmen wir Tagestouren, der erste Versuch, bis Askia zu kommen, scheitert allerdings grandios und leider auch unter den Blicken zu vieler Zuschauer: gleich in der 2. Furt komme ich gegen die Strömung nicht an, mein Fuß erreicht im tiefen Wasser den Grund nicht rechtzeitig und ich liege drin: nass bis zum Bauchnabel, das Ego ziemlich angekratzt, ansonsten ist nicht viel passiert. Wir zerlegen das Motorrad bis zu den Zündkerzen, bis der Motor wieder läuft und kehren zum Campingplatz zurück. Den gewonnen Tag (geplant war eine Zweitagestour für Askia) nutzen wir zum whale watching in Husavik. Wunderbare Erfahrung – kann ich nur jedem empfehlen!

Zu den herausragenden Sehenswürdigkeiten Islands gehören Wasserfälle. Es gibt sie überall und in sämtlichen Größen und Formen. Zu Beginn des Urlaubs sind wir regelmäßig extra hingefahren, immer stehen geblieben und haben fotografiert. Später dann wurde der Anblick selbstverständlich und wir sind oft einfach vorbeigefahren. Dennoch gehören die isländischen Wasserfälle zu den schönsten Momenten des Urlaubs. Das gilt v.a. für die schwer erreichbaren. Der Godafoss beispielsweise oder der Seljalandsfoss sind sehr schön, aber bei konstant mehreren Busladungen Besuchern kommt das Gefühl des „besonderen Moments“ einfach nicht auf. Wenn man hingegen eine lange schlammige Schotterpiste hinter sich hat, durch verschiedenen Schafgatter gefahren ist und dann einen steilen Hügel hinunter klettern muss, wo man dann komplett allein steht und einen Wasserfall betrachtet, dann kommt tatsächlich ein Gefühl von Abenteuer und Freiheit auf. Danke, Aldeyarfoss!

Von Myvatn aus fahren wir weiter in Richtung Westfjorde. Hier haben wir sehr schnell das Gefühl, alleine auf der Insel zu sein. Manchmal sehen wir über Stunden keine anderen Fahrzeuge. Der Straßenbelag wechselt von Asphalt über feinen zu groben Schotter und zurück. Kleinere Pisten sind auch schon mal sehr sandlastig, machen aber ziemlich Spaß. Wir sind froh, viel Zeit zu haben und lassen kaum kleine Pisten aus.

Von anstrengenden Strecken erholen wir uns regelmäßig in Hot Pools. Diese meist 38-40° warmen Becken findet man überall in Island. Viele Orte, auch die sehr kleinen, haben Schwimmbäder.

Daneben gibt es aber auch „natural pools“: warmes Wasser in Naturbecken, manchmal mitten auf einer Wiese oder in Felsbecken, sauber und warm, oft mitten im Nirgendwo und schwer zu finden: so manches Mal hätten wir die Suche aufgegeben, würde unser Buch „Thermal Pools in Iceland“ nicht die GPS-Koordinaten angeben.

Von den Westfjorden aus geht es per Fähre Richtung Süden zur Snaefellsnes-Halbinsel. Hier erleben wir eine der schönsten Nächte des Urlaubs: wir campen wild am Rande eines Lavafeldes. Keine Menschenseele weit und breit, nur Ruhe und Aussicht. Klasse (ich gebe zu, mir gehen langsam die Superlative aus …).

Isländische Sommernächte sind für Münchner sehr ungewöhnlich: Sonnenuntergang ist nicht vor Mitternacht, so richtig dunkel wird es nie. Oder um es mit den Worten des isländischen Schriftstellers Hallgrimur Helgason zu sagen: “Der isländische Sommer ist wie ein Kühlschrank, den man sechs Wochen offen lässt: das Licht ist an, das Gefrierfach taut, aber richtig warm wird es nie.“  Der Vorteil davon: Morgens gegen zwei Uhr ist das Licht zum Fotografieren perfekt und man wacht ohne Wecker auf.

Mittlerweile sind wir auf dem Weg nach Reykjavik. Schon 100 km vorher wird der Verkehr merklich dichter, die Straßen mehrspurig. Island hat ca. 330.000 Einwohner, zwischen 70 und 80% davon wohnen in der Hauptstadt. Reykjavik ist eine hübsche Stadt. Viele kleine Läden, Boutiquen, Galerien. Die großen Ketten der deutschen Fußgängerzonen sucht man zum Glück vergeblich.

Wir nutzen die Zeit in Reykjavik, um unseren Maschinen neue Hinterräder zu verpassen, wir hatten zwar direkt vor der Reise neue aufgezogen, der raue Asphalt und die Schotterpisten fordern aber ihren Tribut. Nach nur 2.500 Kilometern …

In Reykjavik gönnen wir uns auch das teuerste Essen der Reise. Nach einiger Diskussion über „darf man das?“ siegt die Neugier, wir bestellen Wal und Papageitaucher. Erkenntnis: gar nicht schlecht. Bei dem Wal handelt es sich um einen kleinen Minkwal, diese schmecken ähnlich wie Rindfleisch, allerdings mit einem deutlichen Beigeschmack von Leber. Ähnlich der Papageitaucher: wie Hühnchen mit Leber.

Die Zeit in Reykjavik haben wir auch für einen Besuch in der Blauen Lagune genutzt. Dabei handelt es sich um ein sehr bekanntes Thermalbad. Der Lonely Planet sagt dazu: „Wem sie zu teuer, zu klinisch, zu überfüllt ist, der hat irgendwie recht, aber wer wegbleibt, verpasst etwas Besonderes“. Stimmt, wir waren am Ende bestimmt fünf Stunden in dem warmen, milchig-blauen Thermalwasser und haben es sehr genossen.

Von Reykjavik aus geht es Richtung Osten. Hier ist die Touristendichte deutlich höher als im Rest des Landes, immerhin liegen hier einige Highlights: der Geysir Strokkur, der Vulkan Eyjafjallajökull (der 2010 mit seiner Aschewolke den europäischen Flugverkehr lahmlegte), die Gletscherlagune Jökulsarlon und einige mehr.

Der Weg dahin hat es aber in sich: noch mehr Wasserdurchfahrten, Sand und Geröllpisten. Wir genießen es!

Fazit: wir würden jederzeit wiederkommen. Auch wieder mit eigenen Motorrädern. Vielleicht für Daniela mit einer niedrigeren Maschine. *smile*

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