Postkartenmotive, wohin ich auch schaue

Die Landausflüge bringen uns zu unseren Highlights der Reise: zu den Pinguinen.
Darüber vergesse ich leicht, dass auch die normale Aussicht an Deck ein Hingucker ist. Manchmal atemberaubend, wenn riesige Eisberge vorbeiziehen. Manchmal eine unterschätzte Schönheit, wenn besonders türkis-leuchtende dabei sind. Aber selbst der Blick auf das finstere Wasser durch dichte Schneeflocken hat seinen Reiz. Das Wetter ändert sich ständig und mit ihm das Meer.
Klar, befindet sich ein Pinguin oder eine Robbe auf der Eisscholle, ist das wunderbar, aber auch ohne lohnt es sich, Zeit an Deck zu verbringen. Die Devise an Seetagen heißt daher: Warme Unterwäsche, Skihose, Fleecejacke, Daunenjacke, dazu Regenjacke, Handschuhe, Mütze. Und dann raus. Und gucken. Bis es wieder Zeit zum Essen ist. Das Leben kann sooo schön sein.

Robbe
Es sieht aus, als würde die Robbe grüßen

Oft steht die Meeresbiologin Jenna vorne an Deck, dick eingemummelt, bewaffnet mit einem Fernglas. Dann schallt es wieder über Deck: „Humpbacks. Nine o’clock.“ Und alle Blicke gehen nach links und versuchen, die Buckelwale auszumachen. Manchmal klappt das gut, manchmal weniger. Einmal haben wir großes Glück, mehrere Orcas tauchen neben dem Schiff auf und zeigen ihre Fluken. Jenna sammelt Bilder und lädt sie bei der Wissenschaftsorganisation „Happy Whale“ hoch. Hier können Wale anhand der Fluke oder der Zeichnung auf dem Rücken identifiziert und nachverfolgt werden. Vielleicht probiere ich das mal aus, ich stelle es mir toll vor, irgendwann eine Email zu erhalten, dass „mein“ Killerwal mal wieder gesichtet wurde.
Aber auch ohne dieses Gimmick ist es ein toller Anblick, eine Fontäne oder eine Walfluke auszumachen.

Buckelwal
Die Fluke eines Buckelwals

Corona

Die Coronasituation an Bord ist noch immer schwierig. Bislang sind wir glimpflich davongekommen. Jeder bestätigte Fall muss in Quarantäne, die Kontakte (bspw. vom gemeinsamen Tisch im Restaurant) ebenfalls. Täglich gibt es einen Bericht vom Kapitän über die Lage sowie die Anzahl noch verfügbarer Quarantänekabinen. Die Gäste halten sich besser als die Crew. Der Expeditionsleiter ist erkrankt, seit gestern auch die Hotelmanagerin, heute kam der zweite Offizier dazu. Der Kapitän hält regelmäßig Rücksprache mit den Hurtigruten, aber auch mit Vertretern der chilenischen und britischen Regierung, wie weiter zu verfahren ist. Noch sind wir auf dem Weg nach Südgeorgien. Hoffentlich bleibt das so.
Das Bordleben ist deutlich von der Pandemie geprägt. Vorträge werden nur noch über die Monitore in den Kabinen übertragen, nicht mehr als Präsenzveranstaltung. Schnelltests werden regelmäßig durchgeführt, bei der Crew täglich, bei den Gästen alle 2-3 Tage. Vor dem Betreten jedes öffentlichen Raums werden die Hände gewaschen oder desinfiziert, danach werden die benutzten Stühle desinfiziert.
Zum Glück finden die Ausflüge ohne Einschränkung statt. Die Stimmung ist daher optimistisch.

Desinfektion
Desinfektion

Auf Kajaktour

Wir haben uns für eine Kajaktour eingetragen. Ein bisschen Sport in Kombination mit einem etwas anderen Ausblick auf Wasser und Eisberge hat uns gereizt. Und so finden wir uns eines Tages am Tenderpit wieder, warm eingepackt in eine Fleecehülle und eine Art wasserdichtes Kondom – und dann geht es raus. Kajakfahren empfinden wir als schwierig, zumindest verglichen mit Kanufahren. Im Kanu ist es deutlich einfacher, das Gleichgewicht zu halten. Zudem haben wir einen Tag erwischt, an dem der Wind pfeift und die Wellen das Vorwärtskommen anstrengend machen.
Aber der Blick auf die Eisberge neben uns macht jede Anstrengung wieder wett. Trotz Sicherheitsabstand, da Eisberge jederzeit kippen können, sind wir von den blauen Riesen total begeistert.

Kajak
Kajak fahren
Eisberg
Ein Eisberg vom Kajak aus

Camping in der Antarktis

Wir unternehmen noch eine zweite Extra-Aktivität, und schon im Vorfeld der Reise begeistert uns diese Idee total: Die „Amundsen-Nacht“, bei der wir campen gehen. Eine Nacht auf dem antarktischen Festland. Im Zelt. Die Anzahl der Plätze ist begrenzt, von Anfang an wird kommuniziert, dass die Plätze ausgelost werden. Wir haben Glück und sind dabei.
Und so geht es eines Abends, dick vermummt, zu den Zodiacs. Das Expeditionsteam hat bereits die Zelte, Isomatten und Toiletten an Land gebracht. Ja, richtig gelesen, Toiletten. Das Konzept „Leave nothing, but footprints“ wird hier sehr ernst genommen. Wir grinsen bereits beim Briefing, als Atle uns ermahnt, „Stufe 1“ an Bord zu erledigen, er will nur „Stufe 2“ in den Campingtoiletten.

Campingtoilette im Schnee
Atla beim Toiletten-Briefing
Antarktiscampen
Campen in der Antarktis – eine wunderbare Erfahrung


So schnappen wir uns also die bereitgestellten Schlafsäcke und klettern in die Boote. Auf dem Festland müssen wir erst mal den Platz für unser Zelt schaffen, also den Schnee über die komplette Zeltfläche heruntertrampeln, um später nicht mit halbem Körper einzusinken. Außerhalb der getrampelten Wege sinke ich bis über die Knie in den Schnee, entsprechend mühsam ist die Fortbewegung, zumal es noch immer schneit.
Aber die Anstrengung lohnt sich. Abends sitzen wir neben unserem norwegischen Nachbarn Anders auf unseren Schneestühlen und genießen den Blick auf die Bucht. Schneestühle sind eine tolle Erfindung, mit der Anders uns bekanntmacht. Dazu schaufelt er einfach Schnee aus einer Kuhle und häuft ihn daneben auf. Damit schafft er eine Sitzfläche plus Platz für die Beine. Eine warme Matte als Unterlage – und schon sitzen wir bequem und tauschen Reiseanekdoten aus.
Aber es ist kalt und wir machen uns langsam daran, ins Zelt zu kriechen, als uns ein Geräusch innehalten lässt: das Blasen eines Wals in der leeren Bucht. Wir bleiben stehen und lauschen. Alle anderen sind längst im Zelt verschwunden. So stehen wir bestimmt zwanzig Minuten, während der Wal seine Runden dreht und seine Wasserfontänen immer wieder in die Luft pustet. Wir sind wie verzaubert und können uns gar nicht davon lösen. Irgendwann wird es wieder still und wir verziehen uns in die kuschelig-dicken Schlafsäcke.

Arktiscampen
Wolfgang beim Antarktiscampen

Hier ist der Gast König

In der Washington Post lese ich einen Artikel darüber, wie schlecht auf einigen Kreuzfahrtschiffen das Thema Corona umgesetzt wurde. Ich lese von unzureichenden Mahlzeiten und tagelanger Isolation in fensterlosen Kabinen.
Das ist hier definitiv anders. Ich weiß zwar nicht, wie das Essen für die Gäste in Quarantäne ist, aber ich sehe, was die Teams möglich machen. So wird mindestens einmal am Tag Deck 5 ein bis zwei Stunden lang für die Allgemeinheit gesperrt, damit die Quarantänegäste hinaus können. Alle anderen weichen auf Deck 7 und 8 aus. Also nur eine geringe Einschränkung für die meisten – und ein großes Plus für die Betroffenen.
Ein weiteres Beispiel: Unsere letzte Anlandung in der Antarktis musste ausfallen, weil zu viel Eis in der Bucht war. Kurz nach der Ankündigung folgte eine zweite, dass für zwei Gäste eine Extratour angesetzt wurde. Die beiden waren kurz zuvor aus der Quarantäne entlassen, wegen der sie keine einzige Antarktis-Anlandung miterleben durften. Und so liefen zwei Zodiacs aus, in einem befanden sich die beiden Gäste nebst fünf Crewmitgliedern, die sich über die Reling beugten und mit Spitzhacken den Weg freiräumten. Das alles begleitet vom Applaus der anderen Gäste, die dem Spektakel von den oberen Decks aus zusahen und den beiden Gästen diese Erfahrung ohne Neid gönnten. Dafür gab es dann nochmal extra Lob vom Kapitän.

No entry
Das Deck wird gesperrt, damit Quarantänegäste hinaus dürfen.

So, wir sind nun auf dem Weg nach Südgeorgien. Und schon sehr gespannt auf die “Serengeti der Antarktis”.

Für die bessere Übersicht habe ich alle 6 Artikel über unsere Reise in die Antarktis und Südgeorgien hier noch mal verlinkt:

Und auch die Bildergalerien Antarktis und Südgeorgien könnt Ihr hier leicht erreichen.

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