Eine Weile war es recht ruhig hier im Blog. So ein Fulltimejob, wie ich ihn jetzt habe, kostet Zeit und Aufmerksamkeit. Und da Wolfgang noch immer mit dem Motorrad in der Welt unterwegs ist, ist die gemeinsame Zeit begrenzt. Um so bewusster genießen wir sie. Und dann bleiben die Blogeinträge halt liegen.
Aber mir macht das Schreiben ja Spaß – und irgendwann gucke ich mir die Fotos an und denke: die gehören auf discovering-the-world.de. Und dann geht es wieder los.
2024 ist das Jahr der Neuanfänge. Ich arbeite wieder in München und ein neuer Job bedeutet immer Kraft, Anspannung und Aufregung. Im Negativen wie im Positiven. Wolfgang ist derweil mit dem Motorrad in Spanien – auf dem Festland und auf den Kanaren. Mitte des Jahres ist dann Umzug angesagt. Jeder, der das schon mal mitgemacht hat, weiß: das ist ein Kraftakt. Nachdem ich jahrelang aus Kisten und (Motorrad-)Koffern gelebt habe, ist ein neuer Kleiderschrank ein toller Luxus. Die neue Couch auch. Und der sonnige Balkon. Und, und, und … ich könnte die Liste noch lange fortführen. Die Wohnung ist großartig, gemütlich und ich fühle mich endlich mal wieder heimisch. Wolfgang ist mittlerweile in Kanada und Alaska unterwegs. Hat er sich nach dem Kistenschleppen und Einrichten redlich verdient. Wir sehen zu, dass nie viel Zeit vergeht, bis wir uns wieder treffen.
Kanada ruft
Und so besteige ich Ende August ein Flugzeug nach Vancouver. Wir haben drei Wochen Zeit. Und ich kann schon mal ankündigen: ihr werdet traumhafte Bilder zu sehen bekommen.
Schon beim Anflug auf Vancouver lohnt sich der Blick auf dem Flugzeugfenster. Die Rocky Mountains machen ihrem Namen alle Ehre und ragen schneebedeckt auf dem Dunst hervor.
Vancouver in Höhen und Tiefen
Wir machen ein paar Tage Vancouver unsicher, bevor wir unseren Campervan abholen. Die quietschlebendige Stadt lohnt einen Besuch. Wir lassen uns treiben, sitzen in Cafés, schauen uns Gastown, Yaletown und den Hafen an. Ich bin begeistert von den Wasserflugzeugen, die im Minutentakt losbrausen und abheben.
Wolfgang beobachtet diese Begeisterung wortlos – und überrascht mich später mit der Frage: Wollen wir morgen mal eine Runde mit solch einem Flugzeug drehen?
Also buchen wir einen Rundflug und finden uns am nächsten Tag erneut am Hafen ein. Und es wird noch besser: Die charmante Pilotin guckt uns beiden an, lächelt und fragt: möchte einer von euch mit ins Cockpit? Da ich mich eher für Fotomotive interessiere und Wolfgang für Technik, lasse ich ihm den Vortritt. Und genieße sein Strahlen.
Die kleine „De Havilland Turbine Otter DHC-3T“ macht schon beim Anlassen des Motors viel Radau. Die 15 Plätze (Pilot und Copilot mitgerechnet) sind voll besetzt. Wir pflügen über das Wasser, bis die kleine Maschine es endlich schafft abzuheben.
Wir haben das Gefühl, das Highlight unserer Reise schon an Tag 3 der Reise zu erleben: Vancouver von oben sieht gar nicht nach Großstadt aus. Eher zufällig befinden sich die ganzen Hochhäuser auf einer Halbinsel, umgeben von Wasser, Wäldern und schneebedeckten Bergen. Der Anblick ist überwältigend. Wir kosten jede Minute dieses Flugs aus.
Vancouver hat aber auch Schattenseiten, die wir am Morgen vor unserer Weiterreise auf der Straße sehen: ein Fentanyl-Zombie. Fentanyl ist ein Opioid, auf dessen Konto in den USA 2023 drei Viertel aller Drogentoten gingen. Wahnsinn. Ein langfristiger Konsum von Fentanyl führt dazu, dass sich Muskeln versteifen und ihre Funktion beeinträchtigt wird. Dies äußert sich oft in einem unbeholfenen, ungleichmäßigen Gang und steifen Bewegungen, daher der Name Zombiedroge.
Der Mann ist völlig weggetreten und bemerkt seine Umgebung gar nicht. Ich bin trotzdem froh, als wir vorbei sind.
On the Road
Wir machen uns auf dem Weg nach Süden – zu einem Campervan-Verleih. Die nächsten zweieinhalb Wochen sind wir auf 4 Rädern unterwegs. Ich bin schon sehr gespannt, das ist unser erster Van-Urlaub.
Die nächsten Tage sind wir „on the road“. In diesem Teil von Kanada gibt es nicht viele Straßen. Dafür sind sie gut ausgebaut und das Fahren macht trotz der Größe unseres Gefährtes Spaß. Wir genießen es, überall stehen bleiben zu können und zu gucken. Gefällt uns ein Bergblick, halten wir am nächsten Parkplatz, stellen die Campingstühle auf und kochen Kaffee. Dabei entdecken wir Dinge, die wir während der Fahrt nicht bemerkt hätten. Zum Beispiel Rieseninsekten, die über uns kreisen und den Eindruck erwecken, sie könnten uns die kompletten Bagel entführen.
Auch Eichhörnchen versüßen uns den Tag. Sie versuchen zwar auch, uns die Süßigkeiten wegzunaschen, aber es macht Spaß, sie dabei zu beobachten.
Im Vergleich zum Motorrad ist vanlife luxuriös. Wir haben immer Strom, immer die Kamera griffbereit, können jederzeit das Bad aufsuchen. Auch genieße ich es, nicht nur mit 4 Shirts und 5 Paar Socken unterwegs zu sein. Wir können überall anhalten und müssen nicht für jede Besichtigung Motorradjacke und Helm mitschleppen. Außerdem braucht ein Campervan nur einen Fahrer, der andere kann sich entspannen, die Gegend genießen, Fotos machen oder auch schon mal den Reiseführer konsultieren, ob sich noch spannende Orte in der Nähe der Strecke befinden.
Daran könnte ich mich gewöhnen.
Schon jetzt wird Kanada seinem Ruf gerecht: ähnlich wie Norwegen lebt das Land von seinem wunderschönen Landschaften. Unzählige Seen und Flüsse ziehen an uns vorbei, manchmal halten wir, manchmal nicht. Der Kontrast aus Wasser und schneebedeckten Bergen entzückt uns immer wieder.
Kanada ist vor allem weitläufig. Anders als bei uns, wo zwischen den einzelnen Dörfern oft nur wenige hundert Meter liegen, fahren wir hier sehr lange zwischen den einzelnen Städten. Es ist deutlich zu sehen, wie sich die Landschaft verändert, während wir von Britisch Columbia nach Alberta cruisen. Und ich verstehe, wieso der Begriff „roadtrip“ in Amerika aufkam. Beim Fahren durch Städte und Dörfer kommt dieses Sehnsuchtsgefühl einfach nicht auf. Hier aber sitzen wir stundenlang entspannt da, beobachten winzige Siedlungen, große Höfe und dazwischen viel viel nichts. Manchmal grau und düster im Regen, manchmal golden in der untergehenden Sonne. Schade, dass unser Campervan so laut ist, mit dem richtige Soundtrack würden wir vermutlich unendlich weiterfahren.
Kein verdammter Bär. Nirgends.
Von unseren bisherigen Reisen wissen wir: Wir mögen Landschaften, aber so richtig begeistert sind wir von Tieren. Ich habe so manches Mal in den letzten Wochen beim Betrachten von Wolfgangs Alaska- und Kanadafotos gedacht: das möchte ich auch mal live sehen.
Und da wir bis auf Streifenhörnchen kaum Tiere sehen, beschließen wir, aktiv zu werden: wir buchen eine zweistündige Flusstour. In der Hoffnung, Bären und Elche zu sehen, so wie die Webseite es anpreist. Wir hatten ja schon in Norwegen keine Elche gesehen, da sollte es zumindest hier klappen.
Die Bootstour über den Blue River ist malerisch, bereits in der ersten Biegung nach dem Losfahren sehen wir einen Weißkopfseeadler oben in einem Baum.
Später beobachten wir Lachse beim Laichen. Das ist überraschend spannend: Das Lachsweibchen schlägt mit ihrem Schwanz so kräftig auf den Kies am Flussboden, dass eine kleine Mulde entsteht. Das sieht lustig aus, das Wasser spritzt in die Höhe, aber in Realität ist es vermutlich kein Spaß. In das soeben geschaffene Nest legt das Lachsweibchen dann hunderte bis tausende Eier. Das Männchen gibt seinen Samen darüber ab, um die Eier zu befruchten. Leider sterben die Tiere danach, das Ganze ist also ein bittersüßes Schauspiel.
Unsere Hoffnung auf Bären oder Elche erfüllt sich leider nicht. Unser schottischer Guide gibt sich redlich Mühe und fährt immer wieder Uferstücke ab von denen er weiß, dass dort regelmäßig Bären zu finden sind. Wir alle halten Ausschau, aber nichts tut sich. Die Natur arbeitet halt nicht auf Kommando.
Wir sind enttäuscht.
Und als unser Schotte die Frage in die Runde stellt, ob irgendwer aus der zwanzigköpfigen Gruppe schon große Tiere in Kanada gesehen hat, hebt niemand die Hand.
Uns wird klar: Wir brauchen stärkere Geschütze.
Der lange Weg zu den Bären
Wolfgang war in den letzten Monaten in Kanada und Alaska unterwegs. Er ist durch Britisch Columbia und Yukon immer gen Norden gefahren und irgendwann in Alaska angekommen. Dort stand der Dalton Highway auf dem Programm, im Yukon schon der Dempster Highway. Aber durch Verzögerungen beim Erdinger Umzug war es schon spät im Jahr, die Strecken waren durch den Regen so aufgeweicht, dass sie mit Motorrädern praktisch nicht mehr befahrbar waren.
Aber dennoch: Alaska ist viel weniger touristisch als die Rocky Mountains, und so hatte er die Möglichkeit, einige Tiere zu sehen: Schwarzbären. Elche. Otter. Wale. Bergziegen.
Ein Ort hat es ihm besonders angetan: Fish Creek in Alaska. Ganz im Süden, dort wo die Südspitze Alaskas nach Kanada hineinragt.
Fish Creek Wildlife Observation Site ist ein winziger Nationalpark, er besteht aus zwei flachen Flüssen, zwischen denen ein vielleicht 150 Meter langer Holzsteg gebaut wurde. Von diesem Steg aus kann man gefahrlos Bären beobachten, wenn sie zur Zeit der Lachslaiche durchs Wasser stapfen. Die Tiere werden nicht angefüttert, so dass es durchaus sein kann, dass man tagelang dort sitzt, ohne einen einzigen Bären zu Gesicht zu bekommen.
Wolfgang hat Fish Creek zu Beginn der Laichsaison besucht: kaum Lachse, kaum Bären. Er hat an zwei Tagen nur einen einzigen Bären gesehen. Und den auch nur für eine Minute und aus der Ferne.
Jetzt aber, 4 Wochen später, sollte dort mehr los sein.
Und wir beschließen: Wir nehmen die knapp tausend Kilometer Anfahrt nach Fish Creek in Kauf und fahren los.
Es geht nach Alaska.
Und das war die beste Entscheidung des Urlaubs überhaupt.
Details berichte ich beim nächsten Mal.
Mit nicht so vielen Worten, dafür mit um so mehr Fotos. Freut euch drauf!
Hier ein Vorgeschmack.