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Die Provence duftet wie ein riesiges Kräuterbeet

Der Duft unter dem Motorradhelm ist unglaublich. Ich habe das Gefühl, meine Nase in eine große Schüssel Lavendelblüten zu tauchen, so intensiv duftet es. Aber dazu später mehr.

Von Monte Carlo aus ist unser nächstes Zwischenziel die Schlucht von Verdon. Aufgrund der Hitze starten wir zeitig. In Comps-sur-Artuby müssen wir uns entscheiden: Nehmen wir die Nord- oder die Südroute um die Gorge du Verdon herum? Reiseberichte im Internet beschreiben beide als schön, nur in einigen Wohnmobilforen wird die Südroute als „echt schmale Straße“ beschrieben. Perfekt für uns. In der Boulangerie chez Michel decken wir uns mit Köstlichkeiten fürs Picknick ein: Croissants, ein Baguette und eine kleine Quiche Lorraine.
Und los geht es.
Die Schlucht von Verdon ist ca. 21 Kilometer lang, die Straße verläuft bis zu 700 Metern über der Wasseroberfläche. Wobei zu dieser Jahreszeit Wasseroberfläche etwas optimistisch ist: weite Teile der Nebenarme sind völlig ausgetrocknet. Trotzdem beeindruckt uns, was wir sehen: die Farbe des Wassers wechselt zwischen türkis und grün, je nach Tiefe und Sonneneinstrahlung. Immer wieder unterbrechen wir das Kurvenwedeln, bleiben stehen und schauen. Kajakfahrer unter uns. Kletterer neben uns. Paraglider über uns. Eine Tour einfach nur zum Genießen.
Wir halten Ausschau nach einem Café, aber die wenigen Orte sind so überlaufen, dass wir keine Lust verspüren, anzuhalten. Irgendwann finden wir ein paar Picknicktische unter Bäumen, nur einer ist von einer französischen Familie belegt. Sie haben ein ausgiebiges Picknick dabei, Berge von Essen, eine Weinflasche und eine rotkarierte Tischdecke. Sehr malerisch. Wir kommen uns mit unseren Wasserflaschen und der Papiertüte des Bäckers fast mickrig vor. Aber dieses Gefühl ist spätestens bei der fantastischen Quiche Lorraine vorbei. Wir hätten ruhig zwei davon kaufen können.

Türkisfarbener Stausee
Lac de Sainte-Croix. Ja, der war wirklich so türkis. 🙂

Was für ein Glück, genau zur Lavendelblüte durch die Provence zu reisen.

Gesättigt und zufrieden beginnen wir, unsere Umgebung genauer zu inspizieren: Besonders der Blick auf den Stausee Lac de Sainte-Croix in tiefem Türkis hat es uns angetan. Dahinter leuchtet etwas in violett, was wir nicht auf Anhieb erkennen. Ist das etwa schon Lavendel?
Unsere Vermieterin hat uns schon beim Frühstück auf die Lavendelfelder hingewiesen, durch die wir nach der Schlucht fahren würden. Sie hat Fotos im Reiseführer aufgeschlagen und gemeint, dass dort die Bilder für Instagram gemacht würden. Wir hatten erst später am Tag mit den Feldern gerechnet, passen aber spontan unsere Route an und biegen von der Hauptstraße ab.

Der Duft unter dem Motorradhelm ist unglaublich. Ich habe das Gefühl, meine Nase in eine große Schüssel Lavendelblüten zu tauchen, so intensiv duftet es. Aber kein Wunder, die violetten Felder drängen sich dicht an dicht am Straßenrand, bis zum Horizont leuchtet es. Irgendwann kommen wir an den „Instagram-Feldern“ vorbei: schick gestylte junge Frauen, durchweg mit Kleid und Hut, posieren in den Feldern, immer mit Fotografen an ihrer Seite, diese oft mit professioneller Ausrüstung. Wir grinsen, fühlen uns an Kappadokien erinnert und sind gleichzeitig erleichtert, dass wir unseren Lebensunterhalt nicht so verdienen müssen. Das Fotomotiv Lavendelfeld ist allerdings so beeindruckend, dass auch wir einige Erinnerungsbilder schießen.

Was für ein Glück, genau zur Lavendelblüte durch die Provence zu reisen.
Selbst als wir die Lavendelfelder schon lange hinter uns gelassen haben, dringt noch der würzige Duft von Fichten und Wacholder in unsere Helme.
Die ganze Region duftet wie ein riesiges Kräuterbeet. Wir gleiten durch die Kurven und das Lächeln unter dem Helm will gar nicht mehr weichen.

Lavendelfeld mit Haus
Lavendelfeld in der Provence

Provencalischer Markt in Digne les Bains

In Digne les Bains bleiben wir zwei Nächte, ich möchte den provencalischen Markt am Samstag besuchen. Und wir werden nicht enttäuscht.
Wir parken die Motorräder am Rande des Marktes und spazieren los. Erst mal ein gemütlicher Cappuccino. Wir suchen uns ein Café, bestellen und genießen den Flair der Altstadt. Die Marktstände reihen sich entlang einer Straße auf, die von großen Platanen beschattet wird. Trotz der Hitze überall herrschen auf dem Markt deswegen angenehme Temperaturen. Wir flanieren an den Ständen vorbei und genießen.
Uns gefällt, dass es sich nicht um einen Touristenmarkt handelt, sondern dass wir die Einheimischen beim Einkaufen beobachten können. Es gibt Obst und Gemüse in allen Formen und Farben. Besonders die alten Tomatensorten haben es mir angetan: Formen, die es bei uns nicht mal in den Supermarkt schaffen würden, finden sich hier in Hülle und Fülle: sämtliche Rotschattierungen sind vertreten: mit hellgrünen Streifen, mit schwarzen Streifen, mit gelben Streifen. Wir kaufen ein Dutzend von den hübschen und weniger hübschen Exemplaren. Daneben türmen sich Berge von Knoblauch, der Duft macht mal wieder Appetit. Wir freuen uns über die vielen Lavendelprodukte, allerdings haben wir bereits ein Fläschchen mit Lavendelöl im Gepäck, mehr brauchen wir nicht. Daher bleibt es beim Schauen und Genießen.

Markttreiben
Provencalischer Markt in Digne les Bains

Street Art in Angoulême

Auf dem Weg Richtung Atlantik fahren wir durch Angoulême. OK, es ist ein ziemlicher Umweg dorthin, aber die Stadt ist bekannt für seine großen Graffitis. Auch Murals genannt. Wandmalereien. Die wollte ich sehen – und ich werde nicht enttäuscht.
In Angoulême sind nicht nur einzelne Graffiti zu bewundern, nein, komplette Häuserfronten sind großflächig bemalt. Und es handelt sich dabei nicht um irgendwelche Wandschmierereien, sondern um kunstvolles Design. Thematisch einheitliche Geschichten an Häuserwänden.
Oberhalb einer Motorradwerkstatt ist eine Motorradszene aufgemalt. An einer Straßenkreuzung befindet sich ein Science-Fiction-Motiv, eine farbenprächtige Roboterarmee in gelb und rot. Weiter außerhalb der Stadt stürmt ein überlebensgroßes Rhinozeros auf den Betrachter zu.
Wahnsinn. Wir halten mehrmals an, um die Bilder anzuschauen und zu fotografieren. Wer mehr sehen oder wissen will, kann auf der Webseite von lostinbordeaux.com nachschauen, die Autorin hat verschiedene Malereien fotografiert und beschrieben – und praktischerweise eine Karte hinterlegt, wo genau in der Stadt die Bilder zu finden sind.

Wir bleiben leider nicht lange genug, um sämtliche Malereien zu besuchen, aber schon die wenigen, die wir entdecken, nötigen uns vollen Respekt ab.

Wandmalerei
Wandmalerei in Angoulême

Cognac in Cognac.

Bei der Routenplanung mit der Landkarte bleibt mein Blick bei einem bekannten Namen hängen: Die Stadt Cognac liegt genau auf unserem Weg. Perfekt. Wir haben zwar keine Ahnung, was sie genau bietet, aber es klingt verheißungsvoll. Wir sind neugierig, also buchen wir dort ein Hotel.
Eine schnelle Recherche ergibt einige Destillerien in Cognac, deren Namen selbst uns bekannt sind, obwohl wir beide keine Fans von Hochprozentigem sind: Hennessy, Rémy Martin, Martell, um nur einige zu nennen.
Für Führungen sind wir zu spät dran, es reicht gerade für den Besuch der hübsch gemachten Hennessy-Ausstellungshalle. Später schlendern wir durch die Stadt, die auch ohne Weinbrand reizvoll ist. Genau in der Woche, in der wir dort sind, findet ein Bluesfestival statt, an allen Straßenecken spielen Bands. Das Wetter passt perfekt, und so schlendern wir gemütlich durch das Stadtzentrum und genießen den lauen Sommerabend.
Später landen wir in einer Bar und probieren zwei unterschiedliche alte Cognacsorten. Leider sind beide nicht nach unserem Geschmack.
Immerhin brauchen wir so keine Flaschen als Souvenir mitzuschleppen.

Gefülltes Cognacglas
Ein Cognac in Cognac

Franzosen und ihre Baguettes

Dieses Stereotyp kennt ihr garantiert: In Filmen werden Franzosen mit einem Baguette unter dem Arm dargestellt. Klischee? Weit gefehlt: Fast jeden Tag entdecken wir jemanden auf der Straße, der ein frisches Baguettes unter dem Arm herum trägt, manchmal auch mehrere.
Dazu passt unsere Beobachtung, dass es vor vielen Supermärkten oder Bäckereien Baguetteautomaten gibt. Also Geräte, die auf Knopfdruck frisch aufgebackenes Baguette ausspucken. Bei vielen kann man sich auch zwischen Pizza und Baguette entscheiden. Ausprobiert haben wir diese Geräte nie, irgendwie waren immer genügend Bäckereien geöffnet.

Die Franzosen mit Baguettes wurden so zu einem running gag bei uns, dass wir uns gegenseitig immer wieder darauf hingewiesen haben, wenn mal wieder jemand mit Stangenbrot zu sehen war.

Baguetteautomat
Baguetteautomat

Und wie geht es weiter?

Wir sind schon seit einigen Wochen in Frankreich. Zeit, zu überlegen, wie es weitergeht. Unser Plan ist, wie immer, eher grob: wir möchten La Rochelle besuchen und unsere Zehen in den Atlantik halten. Schon lange träume ich davon, Mont-Saint-Michel zu sehen, und Wolfgang will die Strände besuchen, an denen die Westalliierten 1944 angekommen sind: Omaha, Juno, Gold.
Also machen wir uns auf den Weg in die Normandie. Davon dann mehr beim nächsten Mal.

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